Dekopflanze oder Stuhlsäge? -Gedanken zum Thema Stellvertreter, Teil 1
«Brauche ich denn einen Stellvertreter?» – Diese Frage hat mir kürzlich der Geschäftsführer einer KMU mit immerhin 30 Mitarbeitenden gestellt. Mich erstaunt zum einen die Frage an sich. Ich bin überzeugt, dass für die wichtigsten Rollen in einem Unternehmen die Stellvertretung geklärt sein muss.
Zum anderen erstaunt mich, dass sich viele Vorgesetzte wenig Gedanken darum machen, welche Rolle ihr Stellvertreter überhaupt hat. Daraus resultieren 4 Typen von Stellvertretern:
Der Zufallsstellvertreter
Dieser tritt immer dann in Aktion, wenn die Stellvertretung eben nicht geregelt ist. In der Regel lässt sich für jedes Problem eine Lösung finden. «Not macht erfinderisch», heisst ein Sprichwort und tatsächlich kommen in schwierigen Situationen oft innovative Lösungen zustande. Fällt eine zentrale Person wie der Geschäftsführer jedoch für längere Zeit oder gar für immer aus, reicht dies in der Regel nicht. Häufig ist dann das ganze Unternehmen gefährdet, was durch voraussichtliches Handeln und dem Benennen eines geeigneten Stellvertreters vermeidbar wäre.
Die Dekopflanze
Gerade in grösseren Unternehmen wird die Rolle des Stellvertreters häufig nicht nach den üblichen Kriterien der Mitarbeiterrekrutierung vergeben. Während normalerweise Kandidaten gewählt werden, die die für die Tätigkeit notwendigen Fähigkeiten und Kompetenzen mitbringen, scheint diese Regel bei der Wahl der Stellvertreter ausser Kraft zu sein. Vielmehr wird derjenige zum Stellvertreter ernannt, der bei der letzten Beförderungsrunde übergangen wurde oder schon am längsten in der Abteilung ist. Die Rolle des Stellvertreters wird zu einer Art Trostpflaster, ist aber entkoppelt von der tatsächlichen Übernahme von Aufgabe und Kompetenzen des Vorgesetzten.
Die Stuhlsäge
Im Gegensatz zu den beiden anderen Stellvertretertypen, sind bei der «Stuhlsäge» Aufgaben und Kompetenzen klar beschrieben. Allerdings happert es hier bei den persönlichen Kompetenzen des Rollenträgers. Dessen Ziel ist es, selbst die Rolle des Vorgesetzten einzunehmen und er setzt alles daran, um diesen in schlechtem Licht darzustellen. Mitarbeitende mit mangelnder Loyalität sollte man deshalb nicht zum Stellvertreter ernennen.
Der echte Stellvertreter
Beim echten Stellvertreter sind Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung des Stellvertreters geklärt und er bildet zusammen mit seinem Vorgesetzten ein echtes Team. Entscheidend ist, dass sich die beiden in ihren Stärken ergänzen, ein offenes Arbeitsverhältnis haben und sich gegenseitig gut abstimmen. Idealerweise erhält der Stellvertreter die Möglichkeit, eine eigene Position aufzubauen. Bleibt er derjenige, der wie Harry Klein bei Derrick nur den Wagen vorfährt, entstehen Frust und suboptimale Ergebnisse. Umgekehrt kann ein gut funktionierendes Duo führungsmässig zu Höhenflügen ansetzen.
Die Wahl eines echten Stellvertreters ist also nicht ganz einfach. Tipps, die Ihnen dabei behilflich sind, gibt es im nächsten Blog. Für solche, die nicht so lange warten können, stehe ich selbstverständlich bereits vorher zur Verfügung. Kontaktieren Sie mich einfach per Mail oder Telefon!
Herzlich
Barbara Grass – mit Klarheit vorwärts!
Deine E-Mail sind immer wieder spannend und amüsant. Man sieht sich dann auch selbst wieder – in beiden Positionen.
Als Chef; welcher die Aufgabe hat einen echten Stellvertreter zu bestimmen, diesen einzubinden und zu befähigen. Dies bedeutet am Anfang sehr viel Aufwand und ist als Alpha-Tierchen auch nicht immer einfach.
Als Untergebener; wo man verschiedenes erlebt. So war einig Male schon ein echter Stellvertreter und durfte von meinem Chef sehr viel lernen. Bei meiner letzten Anstellung erlebte ich etwas, was es in deinem Modell gar nicht gibt. Ich durfte die Arbeiten erledigen, welche meinem Chef nicht passte und wurde weder in Diskussion noch in Entscheide eingebunden. Als ich mich zunehmend geweigert habe, den „Idiotenstellvertreter“ zu spielen, ohne Verantwortung und Kompetenzen aber mit sehr viel Arbeit, wurde ich abserviert.
Ja Chef werden ist nicht schwer. Ein guter Chef sein und die Loyalität und den Einsatz des gesamten Team verdienen, die Mitarbeiter befähigen und ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen ist sehr anspruchsvoll. Leider gibt es immer mehr Leute die fähig wären, welche gar nicht wollen und ergo immer mehr, welche zum Zug kommen, aber besser nicht Chef sein sollten (http://karrierebibel.de/psychopath-chef/).
Danke für Deine Ergänzungen. Ich kann Dir nur zustimmen!